21.07.2011

tacheles 1/2 2011: Keine Abmahnung bei Vorbereitung der Betriebsratswahl während Arbeitszeit

Die Vorbereitung einer Betriebsratswahl während der Arbeitszeit in einem Betrieb, in dem bisher kein Betriebsrat existiert, rechtfertigt keine Abmahnung (Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 16. September 2010, Aktenzeichen 5 Ca 1030d/10).

Der Fall
In dem beklagten Betrieb besteht bisher kein Betriebsrat. Die Klägerin ist bei der Beklagten angestellt. Gemeinsam mit zwei Kollegen plante die Klägerin im Februar 2010 die Einberufung einer Wahlversammlung zur Wahl eines Betriebsrats. Mit Schreiben vom 8. April 2010 forderte die Klägerin gemeinsam mit ihren beiden Kollegen die Beklagte auf, ihnen die für die Anfertigung einer Wählerliste erforderlichen Unterlagen auszuhändigen, wozu der Arbeitgeber nach § 28 Abs. 2 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichtet ist. Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass die in dem Schreiben verwendete Anschrift zu wenig spezifiziert sei. Die Klägerin telefonierte daraufhin mit einem ihrer beiden Kollegen, der die Anschrift berichtigte. In der darauf folgenden Mittagspause unterzeichneten die drei Mitarbeiter das berichtigte Schreiben. Am 12. April 2010 mahnte die Beklagte die Klägerin ab und begründete dies damit, dass die Klägerin während ihrer Arbeitszeit am 8. April 2010 das genannte Schreiben erstellt und korrigiert habe. Somit habe sie Tätigkeiten ausgeübt, die nicht zu ihren arbeitsvertraglich festgelegten Aufgaben gehören. Die Klägerin verlangte die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte und verfolgte dieses Ziel mit ihrer Klage weiter.


Die Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg.
Die Abmahnung der Klägerin ist rechtswidrig erfolgt und muss daher aus der Personalakte entfernt werden. Hierbei ist nicht entscheidend, ob die Klägerin das Schreiben am 8. April 2010 während ihrer Arbeitszeit verfasst und berichtigt hat. Denn dies wäre keine Arbeitsvertragsverletzung, die eine Abmahnung rechtfertigt. Die Klägerin hat keine privaten Tätigkeiten ausgeführt. Sie hat vielmehr eine Betriebsratswahl vorbereitet. Aus dem Rechtsgedanken des § 37 Abs. 2 BetrVG ergibt sich, dass sie dies auch während der Arbeitszeit tun darf. Denn die Vorschrift bestimmt, dass die Mitglieder eines Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Entgeltminderung zu befreien sind, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratstätigkeit erforderlich ist. Dies muss auch für Arbeitnehmer gelten, die eine Wahlversammlung einberufen. Die Abmahnung war darüber hinaus auch unverhältnismäßig. Selbst wenn die Klägerin die Tätigkeiten zur Vorbereitung der Wahl unrechtmäßig während ihrer Arbeitszeit durchgeführt hätte, wäre die Beklagte laut Arbeitsvertrag berechtigt gewesen, die Klägerin nacharbeiten zu lassen. Des Weiteren handelte es sich um ein relativ geringfügiges Arbeitsversäumnis.


Das Fazit

Auch Mitglieder des Betriebsrats sind als Arbeitnehmer des Betriebs verpflichtet, ihre Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen. Jedoch gehen gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG ihre Aufgaben als Betriebsratsmitglied ihrer Arbeitspflicht vor, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Die Aufgaben eines Betriebsrats können sich aus Gesetzen, Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden ergeben. Den Betriebsratsmitgliedern steht ein Beurteilungsspielraum zu, ob eine Tätigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Das Betriebsratsmitglied hat für die Zeit der Arbeitsbefreiung Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das es erhalten hätte, wenn es keine Betriebsratstätigkeit ausgeübt hätte. Das vorliegende Urteil weitet die Grundsätze des § 37 Abs. 2 BetrVG auch auf die Tätigkeiten aus, die zur Vorbereitung der Wahl eines Betriebsrats notwendig sind.

Nach oben