10.04.2012

tacheles 3/2012: Befristeter Arbeitsvertrag bei ständigem Vertretungsbedarf

Auch ein wiederkehrender oder ständiger Vertretungsbedarf kann die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags rechtfertigen. Es ist jedoch eine Missbrauchskontrolle vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 26. Januar 2012, Aktenzeichen C-586/10).

Der Fall
In der Zeit vom 2. Juli 1996 bis zum 31. Dezember 2007 war die Klägerin des Ausgangsverfahrens auf der Grundlage von 13 befristeten Arbeitsverträgen als Justizangestellte in einem Amtsgericht beschäftigt. Die befristeten Verträge dienten jeweils der Vertretung einer unbefristet beschäftigten Justizangestellten aus Anlass vorübergehender Beurlaubungen. Die Klägerin war der Ansicht, dass bei 13 Verträgen über einen Zeitraum von elf Jahren nicht mehr von einem vorübergehenden Bedarf gesprochen und die Befristung ihres Vertrags nicht auf § 14 Abs. 1 Nr. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) gestützt werden könne, der den Sachgrund der Vertretung eines Arbeitnehmers regelt. Eine solche „Kettenbefristung“ sei mit § 5 Nr. 1 der europarechtlichen Rahmenvereinbarung über befristete Verträge nicht vereinbar, der bestimmt, dass Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu vermeiden ist.
Das BAG legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG dahingehend ausgelegt werden könne, dass auch im Falle eines ständigen Vertretungsbedarfs ein sachlicher Grund vorliegt, der die wiederholte Befristung eines Arbeitsvertrags rechtfertigt, wenn auch ein unbefristeter Arbeitsvertrag den Vertretungsbedarf decken könnte.


Die Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass auch ein ständiger Vertretungsbedarf die Befristung von Arbeitsverträgen und deren Verlängerung rechtfertigen kann. Die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers kann grundsätzlich einen wichtigen Grund zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung über befristete Verträge darstellen. In einer Verwaltung ist es unvermeidlich, dass häufig vorübergehende Vertretungen erforderlich werden, etwa aufgrund von Mutterschaftsurlaub oder Elternzeit. Diese sind als legitime sozialpolitische Ziele anerkannt. Hier generell den Abschluss unbefristeter Verträge zu verlangen, ginge über die Ziele der Rahmenvereinbarung hinaus. Aus der Tatsache, dass ein Arbeitgeber wiederholt oder dauerhaft auf befristete Vertretungen zurückgreifen muss, folgt nicht, dass kein sachlicher Grund für die Befristung vorliegt oder dass ein Missbrauch der Befristungsbestimmungen gegeben ist, auch wenn der Bedarf mit der Einstellung von Arbeitnehmern mit unbefristetem Arbeitsvertrag gedeckt werden könnte. Um zu beurteilen, ob die Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse im konkreten Fall möglich ist, müssen jedoch die Umstände des Einzelfalls, etwa die Zahl und die Gesamtdauer der mit demselben Arbeitgeber abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge, herangezogen werden.


Das Fazit
Das europäische Recht sieht unter anderem vor, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Verhinderung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge sachliche Gründe festlegen können, die eine Verlängerung befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen. Dies hat der deutsche Gesetzgeber in § 14 Abs. 1 TzBfG getan, wo unter anderem die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers als sachlicher Grund festgeschrieben ist. Mit dem vorliegenden Urteil hat der EuGH zwar ausgeführt, dass ein dauerhafter Bedarf an Vertretungen nicht notwendigerweise einen Missbrauch der Befristungsvorschriften darstellt, er hat aber die wichtige Klarstellung getroffen, dass eine Kontrolle erfolgen muss, um einem Missbrauch dieser Befristungsmöglichkeit vorzubeugen. Hierbei sind die Gesamtdauer und die Anzahl der befristeten Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber in die Prüfung einzubeziehen.

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