04.06.2012

tacheles 5/2012: Gleichbehandlung von Arbeitnehmern bei Entgelterhöhung

Ein Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern bei einer Entgelterhöhung, wenn diese im Gegensatz zu ihm ein Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags ohne Verweisung auf einen Tarifvertrag angenommen haben (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011, Aktenzeichen 5 AZR 675/10).

Der Fall
Der Kläger ist gewerkschaftlich organisiert und war seit 1981 bei einer GmbH als Techniker angestellt. In seinem Arbeitsvertrag wurde auf die jeweils gültigen Tarifverträge der Hessischen Metallindustrie Bezug genommen. Im Jahr 2007 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte über, die nicht tarifgebunden ist. Die Beklagte unterbreitete allen Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis auf sie überging, das Angebot, einen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen. Dieser sollte nicht mehr auf die Tarifverträge der Hessischen Metallindustrie Bezug nehmen. Der neue Arbeitsvertrag sah eine Entgelterhöhung von 3 Prozent zum 1. April 2008 sowie eine weitere Erhöhung von 1 Prozent zum 1. Januar 2009 vor, wobei sich zum 1. Januar 2009 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 39 Stunden erhöhen sollte. Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen nahm der Kläger dieses Angebot nicht an. Nachdem den Kollegen, die das Angebot angenommen hatten, die entsprechend den Regelungen des neuen Arbeitsvertrags erhöhten Entgelte gezahlt worden waren, machte der Kläger ebenfalls eine Erhöhung seines Entgelts um 3 Prozent zum 1. Januar 2009 geltend. Er brachte unter anderem vor, dass ihm aus der Ablehnung des Änderungsangebots keine Nachteile erwachsen dürften.


Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erhöhung seines Entgelts. Ein solcher Anspruch lässt sich nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Nach diesem Grundsatz muss ein Arbeitgeber Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage gleichbehandeln, sofern er eine selbst gesetzte Regel anwendet. Bei der Gewährung von Entgelt ist der Gleichbehandlungsgrundsatz dann anwendbar, wenn das Entgelt durch eine einheitliche betriebliche Regelung angehoben wird und der Arbeitgeber die Erhöhungen nach einem erkennbaren, generalisierenden System gewährt. Hier hat die Beklagte nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Denn sie hat allen Arbeitnehmern – auch dem Kläger – einen neuen Arbeitsvertrag angeboten, aus dem die Entgelterhöhung folgte. Die Entscheidung, das Änderungsangebot anzunehmen, erfolgte autonom durch jeden Arbeitnehmer. Darüber hinaus war die Beklagte nicht gezwungen, die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zu vereinbaren. Den Parteien eines Arbeitsvertrags steht es außerdem frei, eine Bezugnahmeklausel aufzuheben. Es liegt auch keine Verletzung des Maßregelungsverbots aus § 612a BGB vor. Diese Norm bestimmt, dass ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen darf, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Eine solche Benachteiligung liegt hier nicht vor, da der Arbeitgeber nicht zwischen verschiedenen Maßnahmen wählen konnte, sondern jeden Arbeitnehmer gemäß seinem geltenden Arbeitsvertrag behandelte.


Das Fazit
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz besagt, dass einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen nicht sachfremd schlechter gestellt werden dürfen. Die Begünstigung einzelner Arbeitnehmer ist jedoch möglich. Um eine Schlechterstellung feststellen zu können, muss zunächst eine Vergleichsgruppe aus mehreren Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage gebildet werden. Des Weiteren muss eine für alle oder eine Gruppe von Arbeitnehmern geltende Ordnung bestehen, von der der Arbeitgeber bezüglich einzelner Arbeitnehmer willkürlich abweicht. Eine solche willkürliche Abweichung hat das Gericht hier zutreffend verneint, da die unterschiedliche Behandlung nicht vom Arbeitgeber ausging, der allen Arbeitnehmern ein Angebot zum Vertragsabschluss unterbreitet hatte, sondern auf der freien Entscheidung jedes einzelnen Arbeitnehmers beruhte.

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