13.08.2010

Arbeitsmarkt-Mythos Teilzeitarbeit

Teilzeitarbeit scheint immer attraktiver zu werden. Seit 1999 nimmt die Anzahl derjenigen, die weniger als 40 Stunden pro Woche arbeiten, zu - und das in allen Branchen. In Deutschland arbeiten derzeit knapp fünf Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Teilzeit, das heißt ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Die Anzahl der Vollzeitstellen ist im gleichen Zeitraum um sieben Prozent auf 22,5 Millionen gesunken.

Aus statistischer Sicht ist die Teilzeitarbeit eine tolle Sache: Eltern haben die Möglichkeit, Arbeitszeit zu reduzieren und so mehr Zeit für die Familie zu gewinnen. Gleichzeitig trägt das Prinzip Teilzeit dazu bei, die Arbeit gleichmäßiger auf mehr Menschen zu verteilen. Einerseits können Arbeitnehmer entlastet werden, andererseits können mehr Menschen in Lohn und Brot gestellt werden. Theoretisch stimmt das alles und auch die vorliegenden Zahlen könnten dieses Bild bekräftigen. Selbst renommierte Forschungsinstitute sehen dies so. Das Institut für Wirtschaft in Köln (IW) erklärte jüngst in einer Pressemeldung: „Die Expansion der Teilzeit ist eine tragende Säule des Arbeitsmarkterfolgs der vergangenen Jahre." Doch ist Teilzeitarbeit wirklich das neue Arbeitsmarktwunder oder gar das Vorzeigemodell für moderne Arbeitsorganisation, als das es in der Öffentlichkeit verkauft wird?

Bemüht man einmal mehr den statistischen Beweis, zeigt sich schnell, dass in erster Linie Frauen in Teilzeitarbeitsverhältnissen arbeiten. Viele nutzen das Teilzeitangebot freiwillig, um sich mehr der Familienorganisation zu widmen. Viele Frauen sind jedoch aufgrund fehlender Kinderbetreuungsangebote darauf angewiesen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren - nicht zuletzt können sich Alleinerziehende nur selten einen Ganztagsjob leisten. Denn noch immer fehlt es an kostenlosen beziehungsweise erschwinglichen Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten. Dem Statistischen Bundesamt zufolge sind rund zwei Drittel der Frauen, die in Teilzeit arbeiten, auf ihren Verdienst existenziell angewiesen.
Hinzu kommt, dass viele Teilzeitarbeitsverhältnisse, die in den vergangenen Jahren geschaffen wurden, nicht freiwillig, sondern verordnet angetreten wurden - zum einen um vorhandene Arbeitsplätze zu sichern und zum anderen, weil es keine Vollzeitstellen im Angebot gab.

Hinzu kommt, dass Teilzeitarbeit gesellschaftlich noch immer als „Arbeit mit halber Kraft" gewertet wird. Teilzeitarbeitskräfte in leitender Funktion sucht man nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in den öffentlichen Verwaltungen beinahe vergebens. Häufig lautet das Argument: Wer in Teilzeit arbeitet, bringt auch nur die halbe Leistung! Nicht selten wird aus dieser Fehlwahrnehmung der Arbeitsleistung ein Karrierehemmnis.
Vor allem im öffentlichen Dienst ist das Vorankommen der Mitarbeiter/-innen von dienstlichen Beurteilungen abhängig, in denen Arbeitszeit und Arbeitsleistung oftmals gleichgesetzt werden. Ein Aufstieg kann sich so schnell um mehrere Jahre verzögern. Für viele Arbeitnehmer/-innen wird die Teilzeit zum Verhängnis: Einmal Teilzeit, immer Teilzeit. Auch wenn jede(r) ein Recht darauf hat, in ein Teilzeitarbeitsverhältnis einzutreten, sprich  Arbeitszeit freiwillig zu reduzieren, gibt es keine rechtliche Garantie, in ein Vollzeitarbeitsverhältnis zurückzukehren. Angesichts dieser statistisch belegten Tatsachen ist es ein Hohn, wenn an exponierter Stelle die Teilzeitarbeit noch immer als reiner Zubrot-Verdienst klassifiziert wird.

Weitere aktuelle Informationen zur gewerkschaftspolitischen Frauenarbeit finden Sie hier.

Nach oben