01.12.2017

tacheles 11/2017: Unbillige Weisung im Rahmen einer Versetzung

Der Fünfte Senat des BAG hält nicht mehr an seiner Rechtsauffassung fest, dass der Arbeitnehmer bis zu einem Urteil, das die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststellt, an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden ist (BAG, Beschluss vom 14. September 2017, Aktenzeichen 5 AS 7/17).

Der Fall
Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 bei der Deutsche Telekom Immobilien und Service GmbH beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis wurde anschließend mit der Beklagten weitergeführt. In seinem Arbeitsvertrag heißt es unter anderem, die Arbeitgeberin sei „berechtigt, dem Arbeitnehmer auch eine andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit, gegebenenfalls auch unter Veränderung des Arbeitsortes / Einsatzgebietes oder des Aufgabenbereichs zu übertragen“. In dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag Immobilien 1998 (MTV) ist bezüglich Versetzungen eine Abwägung betrieblicher Interessen mit den Arbeitnehmerinteressen geregelt. Die arbeitsvertraglichen Regelungen wurden mehrfach verändert. Zuletzt lautete die Formulierung: „Der Arbeitnehmer wird in Dortmund als Immobilienkaufmann im Bereich C and P im Team RE3330 vollbeschäftigt.“ Alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags sollten unberührt bleiben. Nachdem im Team des Klägers Probleme bei der Zusammenarbeit aufgetreten waren, teilte die Beklagte dem Kläger mit, er solle befristet im Team Due Diligence / Archiv am Standort Berlin eingesetzt werden. Der Kläger nahm die Tätigkeit in Berlin jedoch nicht auf. Nach zwei Abmahnungen sprach die Beklagte eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung aus. Der Kläger machte daraufhin unter anderem die Unwirksamkeit der Weisung bezüglich der Versetzung gerichtlich geltend.

Die Entscheidung
Bei der Entscheidung handelt es sich um einen Antwortbeschluss des Fünften Senats des BAG auf eine Anfrage des Zehnten Senats (Beschluss vom 14. Juni 2017, Aktenzeichen 10 AZR 330/16 (A)). Darin weicht der Fünfte Senat von seiner bisherigen Rechtsauffassung der vorläufigen Geltung unbilliger Weisungen bis zu einer rechtskräftigen Feststellung ihrer Unwirksamkeit ab. Die hier in Rede stehende Weisung widersprach keinen arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen, entsprach aber nicht billigem Ermessen gemäß § 106 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) und § 315 BGB. Die Auslegung des Arbeitsvertrags ergibt, dass der Hinweis auf die Beschäftigung in Dortmund keine konstitutive Festlegung, sondern nur eine Wiedergabe des aktuellen Aufgabenbereichs und Arbeitsorts darstellt, da alle übrigen Bestimmungen des Arbeitsvertrags unverändert bleiben sollten. Aus dem MTV ergibt sich keine Beschränkung des Weisungsrechts. Jedoch wurden bei der Weisung die Grenzen des billigen Ermessens gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nicht gewahrt. Bei der Abwägung der wechselseitigen Interessen sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Herstellung des Betriebsfriedens in Dortmund ist ein legitimes Interesse der Arbeitgeberin, jedoch hat sie keine weiteren Maßnahmen unternommen, um den Konflikt zu entschärfen. Eine lediglich befristete Versetzung ist außerdem zur Entschärfung des Konflikts nicht geeignet. Daher ist das Interesse des Klägers an der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes in Dortmund insgesamt höher einzustufen. Die Weisung war daher unwirksam. Der Kläger musste ihr nicht Folge leisten, auch nicht vorläufig. Eine vorläufige Geltung lässt sich § 106 Satz 1 GewO nicht entnehmen.

Das Fazit

Die bisherige Auffassung des BAG, dass unwirksamen Weisungen vorläufig Folge zu leisten ist, wurde in Rechtsprechung und juristischer Fachliteratur vielfach kritisch gesehen. Aus Arbeitnehmersicht ist es zu begrüßen, dass das BAG nicht mehr an dieser Auffassung festhält. Wie der Zehnte Senat zutreffend ausführt, besteht für eine vorläufige Geltung keine Notwendigkeit. Der Arbeitgeber könnte dann risikolos unbillige Weisungen erteilen. Dies hätte eine grundlose Benachteiligung des Arbeitnehmers zur Folge. 

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