25.11.2019 / komba gewerkschaft

tacheles 11/2019: Unzulässige Rechtsausübung des Betriebsrats

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer wichtigen Grundsatzentscheidung erstmals missbräuchlichen Blockadehaltungen eines Betriebsrats Grenzen gesetzt. Den Unterlassungsansprüchen des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und § 23 Abs. 3 BetrVG kann demnach in besonders schwerwiegenden und eng begrenzten Ausnahmefällen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG entgegenstehen (BAG, Beschluss vom 12. März 2019, Aktenzeichen 1 ABR 42/17).

Der Fall
Im vorliegenden Fall machte der Betriebsrat eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts hinsichtlich der Festlegung der Arbeitszeit gerichtlich geltend. Unter anderem verlangte er die Unterlassung der Bekanntmachung nicht abgestimmter Dienstpläne durch die Arbeitgeberin. Die tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt eine Klinik, in der etwa 335 Beschäftigte arbeiten. Die von der Arbeitgeberin monatlich aufgestellten Dienstpläne wurden vom Betriebsrat jedoch regelmäßig in weiten Teilen abgelehnt. Er teilte der Arbeitgeberin pauschal mit, die Pläne seien tarif- und gesetzeswidrig. Termine für Beratungen und die freiwillige Einsetzung einer Einigungsstelle lehnte er ebenfalls ab. Nachdem die Einigungsstelle durch ein Arbeitsgericht eingesetzt worden war, legte er wiederholt Rechtsmittel ein und weigerte sich abermals, vor Rechtskraft des Einsetzungsbeschlusses in der Einigungsstelle Beisitzer zu benennen und zu verhandeln. Die Arbeitgeberin gab die Dienstpläne gegenüber ihren Mitarbeitenden dennoch bekannt.


Die Entscheidung
Die Unterlassungsanträge des Betriebsrats waren ohne Erfolg. Zwar habe die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wiederholt verletzt, unter den besonderen Umständen des Falls stehe der Geltendmachung dieser Verstöße ausnahmsweise der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG entgegen. Das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung gilt gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG auch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der dort normierte Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit sei Maßstab für die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebsparteien. Durch die Besonderheiten des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, welches durch die Wahrnehmung von strukturell gegensätzlichen Interessen gekennzeichnet ist, komme eine solche unzulässige Rechtsausübung nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Solch ein Ausnahmefall liege im vorliegenden Rechtsstreit vor. Weder könne noch müsse die Arbeitgeberin die vorliegend pauschal vom Betriebsrat vorgebrachte Behauptung, die Dienstpläne seien gesetzes- und tarifwidrig, entkräften. Die Arbeitgeberin sei zur Ausführung der ihr obliegenden Verpflichtung zur Krankenhausbehandlung von Versicherten zwingend darauf angewiesen, in regelmäßigen Abständen Dienstpläne aufzustellen, um dadurch den Einsatz des vorhandenen Personals zu koordinieren. Aus diesem Grund sei der Betriebsrat auch angehalten, alles zu versuchen, um im Rahmen des ihm gesetzlich zustehenden Mitbestimmungsrechts bei der Verteilung der von den Arbeitnehmenden zu leistenden Arbeitszeit mit der Arbeitgeberin zu einer einvernehmlichen Regelung zu gelangen. Zudem haben die Betriebsparteien nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten vorzulegen. Gegen diese Verpflichtungen habe der Betriebsrat im vorliegenden Fall im erheblichen Maße verstoßen. Er habe weder versucht, innerbetrieblich konstruktiv mit der Arbeitgeberin Verhandlungen über die Ausgestaltung der Dienstpläne aufzunehmen, noch habe er sich bemüht, mit Hilfe der Einigungsstelle zu einer Einigung über die strittigen Dienstpläne zu gelangen. Durch die beharrliche Verweigerung jeglicher Mitwirkung bei einer einvernehmlichen Errichtung der unstreitig zuständigen Einigungsstelle habe er deren unverzügliches Tätigwerden verhindert. Unabhängig davon entbänden ihn etwaige Verstöße einzelner Dienstpläne gegen gesetzliche und tarifliche Vorgaben nicht von seiner Verpflichtung, sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wahrzunehmen.


Das Fazit
Ohne eine Einigung mit dem Betriebsrat können Arbeitgebende die Lage der Arbeitszeit nicht festlegen – und das hat auch seine Richtigkeit. Jedoch ist es notwendig, dass der Betriebsrat lösungsorientiert mit der Arbeitgeberseite zusammenarbeitet, um die Interessen der Mitarbeitenden zu wahren.

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