26.10.2011

Bodenverkehrsdienste: Brüsseler Gespräche der komba gewerkschaft

Weitreichende Folgen auch für andere Verkehrsbereiche nicht auszuschließen

Am 19. Oktober führte die komba gewerkschaft eine Reihe von politischen Gesprächen im Europäischen Parlament in Brüssel. Gegenstand der Gespräche war die von der Kommission beabsichtigte weitere Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste an Europas Flughäfen. Eckhard Schwill, Bundesjustitiar der komba gewerkschaft, und die Betriebsräte Hans-Jürgen Schmidt und Werner Schmidt der Fraport AG am Frankfurter Flughafen sprachen unter anderem mit den EU-Abgeordneten Knut Fleckenstein (SPD) und Thomas Mann (CDU) sowie der für Beschäftigung und Sozialpolitik zuständigen Beraterin der Grünen im Europäischen Parlament, Philine Scholze.

Die Betriebsräte wollen die EU-Abgeordneten, die sich fraktionsübergreifend gegen weitere Marktöffnungen einsetzen, unterstützen. „Am liebsten wäre es uns, wenn das Ding gar nicht erst auf den Tisch kommt“, sagten die Kombaner ihren Brüsseler Gesprächspartnern. Die Betriebsräte warnen gar vor weitreichenden Folgen auch für andere Verkehrsbereiche.

Knut Fleckenstein, der im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments für das marktschaffende Kommissionsvorhaben zuständige SPD-Europaabgeordnete, hatte sich bereits am 10. Oktober mit einem Unterstützungsschreiben an die Betriebsratsvorsitzenden der betroffenen Flughäfen gewandt. Darin versichert der Hanseat den Arbeitnehmern die volle Unterstützung der europäischen SPD-Abgeordneten gegen die weitere Liberalisierung der Bodenverkehrs- beziehungsweise Abfertigungsdienste. Dies bestätigte Fleckenstein auch im Brüsseler Gespräch. „Der bisherige Vorschlag der Kommission wäre in seiner jetzigen Form inakzeptabel.“ Schon die erste Liberalisierungs-Richtlinie von 1996 habe zu einer starken Lohnabsenkung geführt. „Eine weitere rücksichtslose Liberalisierung auf Kosten der Arbeitnehmerschaft werden wir nicht akzeptieren“, so Fleckenstein.

 


Weitere Beratungen mit EMPL-Ausschuss notwendig

„Wir wollen kein Sozialdumping an deutschen Flughäfen“, sagt auch Fleckensteins christdemokratischer Kollege Thomas Mann, der bereits in der Vergangenheit maßgeblich dazu beigetragen hat, die weitreichenden Liberalisierungsideen der Kommission abzuwehren. Er war zweimal Berichterstatter seines Ausschusses zu den Bodenverkehrsdiensten. Der hessische CDU-Politiker ist als Vize-Präsident des Parlamentsausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) ein wichtiger Ansprechpartner im Europäischen Parlament.

Mann macht sich dafür stark, dass der EMPL-Ausschuss gleichberechtigt mit dem Verkehrsausschuss (TRANS) in die Beratungen zur weiteren Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste eintritt. „Der Vorgang hat eine erhebliche beschäftigungspolitische Dimension. Die Sozialpolitiker des Parlaments müssen daher entsprechend an der Berichtsfassung beteiligt werden“, fordert Mann. Bisher ist eine Federführung des Verkehrsausschusses vorgesehen, da die Bodenverkehrsdienste im so genannten Flughafenpaket der Kommission nur einen Teil mehrerer Rechtsakte darstellt, die Fragen wie die Vergabe von Zeitnischen für Start und Landung sowie Sicherheitsstandards im europäischen Flugverkehr betreffen.

Politik unterstützt die Anliegen der komba gewerkschaft

Auch die deutschen Grünen-Abgeordneten im Europäischen Parlament unterstützen das Anliegen der komba gewerkschaft wie die Referentin Philine Scholze auch im Namen der Abgeordneten Elisabeth Schroedter, Vize-Präsidentin des Beschäftigungsausschusses, betonte. Die Grüne/EFA Fraktion rechnet fest mit einer geschlossenen Ablehnung arbeitnehmerfeindlicher Regelungen durch ihre Fraktion. Betriebsrat Hans-Jürgen Schmidt befürchtet, dass die Folgen dieser Marktöffnung in einigen EU-Staaten unterschätzt werden. „Dieser Vorstoß betrifft in letzter Konsequenz den gesamten Verkehrssektor. Hier soll die Büchse der Pandora geöffnet werden. Wenn diese Politik der Marktschaffung Schule macht, drohen Niedriglöhne nicht nur bei den Bodenverkehrsdiensten an deutschen Flughäfen.“ Sein Kollege Werner Schmidt machte in den Gesprächen zudem darauf aufmerksam, dass Ausgliederungen am Frankfurter Flughafen in Folge einer weiteren Liberalisierung auch eine Gefahr für die Zusatzversorgung im hessischen öffentlichen Dienst darstellen. „Diese ‚Mitgift‘ erfordert eine Liquidität, die nicht in einen fairen Wettbewerb sondern schnurstracks in die Pleite führt“, so Schmidt. Die Folgen einer solchen Entwicklung für das Land Hessen seien unabsehbar.

So klar die Haltung der deutschen EU-Parlamentarier ist, so unklar ist die Lage in Deutschland selbst. Zwar hat der Bundesrat klar ablehnend zu weiteren Marktöffnungen der Flughafendienste Stellung bezogen. Die Bundesregierung hat sich aber noch nicht festgelegt. „Was sagt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer?“, fragen sich die Betriebsräte Hans-Jürgen und Werner Schmidt. Die komba gewerkschaft befürchtet, dass die Lufthansa AG und ihre Star Alliance, die ein starkes Interesse an Personaleinsparungen haben, enormen Druck ausüben. „Die sitzen bei den Kabinettsberatungen mit am Tisch“, sagen die Gewerkschafter. Die Generaldirektion Verkehr der EU-Kommission scheint indessen unbeirrt ihren Vorschlag vorzubereiten. Er wird für Ende November erwartet. Verkehrskommissar Siim Kallas gilt als ultraliberaler Verfechter eines unverfälschten Wettbewerbs.

 

Text: Christian Moos, Leiter der Stabsstelle Europa beim dbb beamtenbund und tarifunion sowie Redakteur bei dbb europathemen aktuell

Fotos: Archiv komba gewerkschaft

 

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