19.11.2012 / komba gewerkschaft

komba gewerkschaft steht Betreuungsgeld kritisch gegenüber

Bundesfachbereich Sozial- und Erziehungsdienst der komba sieht im Ausbau der Kindertagesstätten mehr Sinn, als die Zahlung der sogenannten „Herdprämie“ – Betreuungskosten sollten gesenkt werden, um Kindern aus sozial schwachen Familien Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu ermöglichen

„Das für die neue Leistung eingeplante Geld sollte besser in den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kindertagesstätten fließen: Personal, Fortbildungen, Qualitätssicherung und Räumlichkeiten“, so Sandra van Heemskerk, Vorsitzende des Bundesfachbereich Sozial- und Erziehungsdienst der komba gewerkschaft. „Eine Prämie auszuzahlen, sein Kind nicht in eine frühkindliche Bildungseinrichtung anzumelden, sondern bis zum dritten Lebensjahr zu Hause zu betreuen, ist gesellschaftlich nicht zeitgemäß und birgt zudem die Gefahr, dass vor allem sozial schwache Familien ihre Kinder zu Hause lassen.“

Auch der Fachbereich Erziehung der komba gewerkschaft nrw lehnt das Betreuungsgeld, das laut Regierung eine Alternative zum Kita-Platz sein soll, strikt ab. Marieluise Baumeister, Vorsitzende des Fachbereichs: “100 beziehungsweise 150 Euro sind zwar nichts für eine vernünftige Kinderbetreuung, jedoch viel für manche Familien. Das verlockende Angebot wird sicherlich viele junge Frauen davon abhalten, erwerbstätig zu sein. Das Betreuungsgeld widerspricht damit den Prinzipien der modernen Gesellschaft sowie den gleichstellungspolitischen, sozialpolitischen und familienpolitischen Zielen, für die sich die komba gewerkschaft einsetzt."


Kleinkinder sind letztendlich die Leidtragenden

Nach monatelangen Debatten setzte nun die schwarz-gelbe Koalition am 9. November ihr Vorhaben im Bundestag durch. Eltern, die die Betreuung ihrer Kleinkinder selbst organisieren und kein staatlich gefördertes Angebot in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagesmutter in Anspruch nehmen, sollen damit ab 1. Januar 2013 100 Euro, ab 2014 150 Euro monatlich erhalten. Baumeister warnt vor vergebenen Chancen in der frühkindlichen Entwicklung: „Die Leidtragenden in Zukunft werden die Kleinkinder sein, die zu Hause bleiben. Eine frühe Bildung und Förderung in einer Gruppe von Gleichaltrigen ist für unter Dreijährige von großer Bedeutung. In dem Alter entwickeln sie vor allem ihre sprachlichen, motorischen und sozialen Kompetenzen - miteinander. Diese Lernchance können die heutigen Kleinfamilien kaum auffangen.“


Regierung derzeit Widerspruch in sich

Für die Vorsitzende des Bundesfachbereich Sozial- und Erziehungsdienst ist die Gangart der Regierung derzeit ohnehin ein Widerspruch in sich. Van Heemskerk: „Der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz greift Januar 2013. Laut Statistischem Bundesamt fehlten zum 1. März bundesweit jedoch noch 220.000 Kita-Plätze für unter Dreijährige, damit die Kommunen zum 1. August 2013 den Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot einlösen können. Nun sollen Eltern einen Zuschuss bekommen, damit ihre Kinder zu Hause bleiben. Milliarden Euro, die unter anderem besser investiert wären, um Kindern aus ärmeren und bildungsfernen Familien Betreuungsplätze in öffentlichen Einrichtungen zu ermöglichen. Oder ist es Geld, um Eltern davon abzuhalten, Kinder unter drei Jahren anzumelden, um den Rechtsanspruch umsetzen zu können und damit die Kommunen vor einer Klagewelle zu schützen?“


Die Oppositionsparteien lehnen die sogenannte „Herdprämie“ strikt ab und wollen nun laut Medien dagegen vor Gericht gehen. Und auch in der Europapolitik blickt man mit Besorgnis auf Deutschland, ein Land, das nach wie vor erheblichen Nachholbedarf bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat. „Bei allem, was die Bundesfamilienministerin derzeit vorschlägt, fehlt oft die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit ihrer Ideen in den Einrichtungen sowie den Familien - besonders, wenn sie derart widersprüchlich sind“, so van Heemskerk.

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