19.10.2013 / dbb beamtenbund und tarifunion/redaktion tacheles

tacheles 10/2013: Dauerhafte Personalgestellung im öffentlichen Dienst ist unzulässig

Gestellt ein öffentlicher Arbeitgeber gemäß § 4 Abs. 3 TVöD seine bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer an einen Dritten zur dortigen dauerhaften Leistungserbringung, so betreibt er eine unzulässige dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. April 2013, Aktenzeichen 4 TaBV 7/12).

Der Fall
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Frage, ob und in welchem Umfang dem für den Betrieb des gestellten Vertragsarbeitgebers gebildeten Betriebsrat Mitbestimmungsrechte nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Zusammenhang mit der Gestellung von Mitarbeitern zustehen. Die antragstellenden Kreiskliniken L gehören einem Klinikverbund an, zu welchem auch die Krankenhaus-GmbH S gehört. Die S GmbH erbringt hauswirtschaftliche Versorgungsdienste (Reinigung, Bettenaufbereitung, Wäscheversorgung) für die Tochtergesellschaften des Klinikverbunds. Zur Ausübung der Dienste sollte die S GmbH ab dem Zeitpunkt der Aufgabenübertragung den Einsatz des Personals in einem Krankenhaus des Klinikverbunds selbst steuern. Hierzu wurde ein Personalgestellungsvertrag zwischen dem Klinikverbund und der S GmbH abgeschlossen. Das Weisungsrecht bezüglich der einzelnen Arbeitsverhältnisse wurde auf die S GmbH übertragen. Zudem sollte laut Vereinbarung der Betriebsrat der S GmbH für die Regelung der sozialen Angelegenheiten im Sinne des § 87 BetrVG zuständig sein. Als der Betriebsrat des Krankenhauses der L die Korrektur eines Dienstplans der an die S GmbH gestellten Mitarbeiter verlangte, kam es zum Streit. Daraufhin beantragte das Klinikum L unter anderem die Feststellung, dass dem Betriebsrat des Krankenhauses der L bezüglich der gestellten Mitarbeiter in Fragen zum Betriebsverhältnis kein Mitbestimmungsrecht zusteht, soweit die Weisung von der S GmbH ausgeht. Der Betriebsrat des Krankenhauses der L beantragte, die Anträge zurückzuweisen.

Die Entscheidung

Das LAG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 BetrVG nicht dem Betriebsrat der S GmbH, sondern weiterhin dem Betriebsrat des Krankenhauses der L zustehen. Da die Personalgestellung hier auf Dauer angelegt war, lag nach Ansicht des Gerichts eine verbotene Arbeitnehmerüberlassung vor. Soweit § 4 Abs. 3 TVöD die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern gestattet, verstoße diese Norm gegen höherrangiges Recht und sei unwirksam. Das Gericht legt die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) im Lichte der europäischen Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG) so aus, dass die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung im Falle einer dauerhaften Überlassung nicht erteilt werden kann, da nach der Richtlinie eine nicht nur vorübergehende Überlassung verhindert werden soll. Die Arbeitsverträge zwischen dem Krankenhaus L und den gestellten Arbeitnehmern seien gleichwohl nicht gemäß § 9 Nr. 1, 2. Alt. AÜG unwirksam. Die Arbeitsverträge seien zu keinem Zeitpunkt auf eine Überlassung angelegt gewesen. Zudem habe die Überlassung auf der Anwendung einer gesetzeswidrigen Tarifnorm beruht, die das Direktionsrecht des Vertragsarbeitgebers so erweitert habe, dass dieses ohne Zustimmung der Beschäftigten auf einen Dritten habe übertragen werden können. Anders als in den klassischen Überlassungsfällen entspreche es hier gerade nicht dem Interesse des Arbeitnehmers, einwilligungslos einen anderen Arbeitgeber aufgedrängt zu erhalten. Es sei nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg  ausreichend, dass gemäß § 9 Nr. 1, 1. Alt. AÜG die Direktionsrechtsübertragung unwirksam sei.

Das Fazit
Das LAG Baden-Württemberg hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass die Regeln über die Zulässigkeit einer Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere hinsichtlich des Kriteriums „vorübergehend“, auch für öffentliche Arbeitgeber im Bereich der Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TVöD / TV-L gelten. Gegen die Entscheidung wurde Rechtsbeschwerde eingelegt. Da der Ausgang beim BAG noch offen ist, sollte zunächst die Entscheidung abgewartet werden. Sollte das BAG die Rechtsauffassung des LAG Baden-Württemberg bestätigen, bedarf es einer entsprechenden Anpassung durch die Tarifvertragsparteien.

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