08.05.2021 / dbb beamtenbund und tarifunion

tacheles 5/2021: Eingruppierung einer Erzieherin an einer offenen Ganztagsschule

© gerd altmann / pixabay.com
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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellt in diesem Urteil klar, dass unter die Protokollerklärung Nr. 6b) zur Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 der Entgeltordnung des TVöD (VKA) – Besonderer Teil, Abschnitt XXIV – Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst nur Tätigkeiten in Gruppen fallen, die ausschließlich aus behinderten Menschen im Sinne des § 2 SGB IX oder Kindern und Jugendlichen mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten bestehen. Zudem hat die klagende Partei bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage schlüssig darzulegen, warum sich die eigene Tätigkeit deutlich aus der „Normaltätigkeit“ heraushebt (BAG, Urteil vom 14. Oktober 2020, Aktenzeichen 4 AZR 252/19).

Der Fall
Der Klägerin ist als Erzieherin an einer städtischen Gemeinschaftsgrundschule mit „offenem Ganztag“ und einer „8-1 Betreuung“ (OGS) beschäftigt. Es werden an der Schule neben Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung auch verschiedene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für die Kinder angeboten. Die Klägerin wird nach der Entgeltgruppe S 8a TVöD (VKA) vergütet und hatte bei der Beklagten ohne Erfolg eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe S 8b geltend gemacht. Daraufhin erhob sie Klage. Sie vertrat die Auffassung, dass sie „besonders schwierige fachliche Tätigkeiten“ im Sinne des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 ausübt, da sie insbesondere die Anforderungen der Protokollerklärung Nr. 6b) zu diesem Abschnitt erfülle. Denn nach ihrer Auffassung sei es ausreichend, wenn nur ein Kind in der zu betreuenden Gruppe eine Behinderung oder wesentliche Erziehungsschwierigkeiten aufweist, sofern die Gruppe – wie hier – gerade für diesen Personenkreis vorgesehen ist. Hierzu würden Inklusionskinder und Kinder, die an einer Maßnahme nach § 32 SGB VIII teilnehmen und sich somit durch wesentliche Erziehungsschwierigkeiten auszeichnen, gehören. Vorliegend habe sie in den vergangenen Jahren bis zu sechs, zuletzt zwei solcher Kinder betreut. Ihre Aufgaben gingen auch deshalb weit über die einer normalen Erzieherin hinaus, weil sie zum Beispiel in Gruppen von circa 30 Kindern deren individuelle Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale beobachten und dokumentieren muss sowie in Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften für jedes Kind persönliche Förder- und Entwicklungsangebote erstellt. Auch stelle der stetig wachsende Anteil an Kindern aus Familien mit Fluchthintergrund und Deutsch als Zweitsprache erhebliche Anforderungen an sie, da dies zu großen Schwierigkeiten im sozial-emotionalen Bereich führe. Die Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass das von der Klägerin beanspruchte Tätigkeitsbeispiel der Protokollerklärung Nr. 6b) voraussetze, dass sämtliche Mitglieder der Gruppe die dort genannten Merkmale aufweisen müssen. Zudem sei die auszuübende Tätigkeit der Klägerin auch aus anderen Gründen fachlich nicht besonders schwierig, da nur ein kleiner Anteil der Kinder in der Gruppe sonderpädagogischen Förderbedarf oder wesentliche Erziehungsschwierigkeiten aufwiesen, zumal auch eine Betreuung durch Integrationshelfer erfolgt. Die Klage scheiterte vor dem Arbeits- und Landesarbeitsgericht.

Die Entscheidung
Das BAG wies die Revision ebenfalls als unbegründet ab. Es folgt zunächst der Ansicht des Landesarbeitsgerichts, dass die Tätigkeitsbeispiele der Protokollerklärung Nr. 6 zur Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 durch die Tätigkeit der Klägerin nicht erfüllt sind. Sie ist nicht in einer Integrationsgruppe im Sinne der Protokollerklärung Nr. 6a) tätig, da die von ihr zu betreuende Gruppe unstreitig keinen Anteil von mindestens einem Drittel behinderter Kinder gemäß § 2 SGB IX aufweist. Ebenso wenig erfüllt die Klägerin nach Auslegung des Wortlauts der tariflichen Vorschrift das Tätigkeitsbeispiel der Protokollerklärung Nr. 6b). Denn nach Ansicht des Gerichts haben die Tarifvertragsparteien hier bewusst die Präposition „von“ gewählt und nicht die Präposition „mit“. Würde man der Ansicht der Klägerin folgen, dass die Protokollerklärung Nr. 6b) so zu verstehen ist, dass ein Mindestmaß an Menschen mit den genannten Kriterien nicht erforderlich sei, dann würde dies zu einem Wertungswiderspruch zur Protokollerklärung Nr. 6a) führen. Diese liefe dann ins Leere. Aus diesem Grund können nach Auslegung nur sämtliche Mitglieder der Gruppe entweder behinderte Menschen nach § 2 SGB IX oder Kinder und Jugendliche mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten sein. Anders als die Vorinstanz sieht das BAG jedoch die Anforderungen an die Darlegungslast der Klägerin hinsichtlich der Ermöglichung eines wertenden Vergleichs als erfüllt an. Trotzdem ist das allgemeine Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 TVöD (VKA) vorliegend nicht erfüllt. Zwar bedeutet das Nichtvorliegen einzelner in den Tätigkeitsbeispielen der Protokollerklärung genannter Kriterien – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts – nicht, dass die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale nicht trotzdem erfüllt sein können. Allerdings genügen die Ausführungen der Klägerin insoweit nicht, als die von ihr dargelegte Tätigkeit sich nach Ansicht des BAG nicht „sehr deutlich“ aus der Normaltätigkeit einer Erzieherin heraushebt. Sie weist weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht eine besondere fachliche Schwierigkeit auf. Vielmehr gehören die Aufgaben zu den ganz normalen Tätigkeiten einer Erzieherin.

Das Fazit
Neben der Klarstellung zum Verständnis der Protokollerklärung Nr. 6b) zur Entgeltgruppe S 8b Fallgruppe 1 zeigt das BAG in diesem Urteil auf, welcher Prüfungsmaßstab bei einer beanspruchten Höhergruppierung anzulegen ist. Für die klagende Partei ist es daher wichtig, nicht nur die eigene Tätigkeit ausführlich darzulegen, sondern insbesondere auch die „Normaltätigkeit“, also die Tätigkeit in der niedrigeren (Ausgangs-)Entgeltgruppe, aufzuzeigen. Denn nur dann kann das Gericht, im Rahmen eines wertenden Vergleichs der Tätigkeiten, Heraushebungsmerkmale bejahen.

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