08.05.2021 / dbb beamtenbund und tarifunion

tacheles 5/2021: Eingruppierung von leitenden Beschäftigten in der Pflege: Auslegung des Begriffs „Stationsleitung“ im Sinne der Entgeltordnung zum TVöD (VKA)

© gerd altmann / pixabay.com
© gerd altmann / pixabay.com

Stationsleitungen koordinieren die pflegerischen Aufgaben der Station und üben insoweit Leitungsaufgaben gegenüber den fachlich unterstellten Beschäftigten aus, so das Bundesarbeitsgericht (BAG). Sie wirkten zwar auch bei der Betriebsführung der Station mit, die Übertragung der organisatorischen Gesamtzuständigkeit mit einer Alleinverantwortung für alle anfallenden Aufgaben sei tariflich jedoch nicht vorgesehen (BAG, Beschluss vom 29. Januar 2020, Aktenzeichen 4 ABR 8/18).

Der Fall
In dem vorliegenden Fall ging es um die Ersetzung der Zustimmung zur Umgruppierung zweier Beschäftigter durch den Betriebsrat. Die Arbeitgeberin, eine Trägerin von mehreren Krankenhäusern, beschäftigt über 2.000 Arbeitnehmende und wendet den TVöD (VKA) an. Im Zuge des Inkrafttretens der neuen Entgeltordnung zum TVöD entwickelte die Arbeitgeberin ein „Konzept zur Etablierung neuer Strukturen im mittleren Management im Pflege- und Funktionsdienst“, das zum 1. Januar 2017 umgesetzt werden sollte. Die bisherigen Funktionen von Stationsleitung und stellvertretender Stationsleitung sollten durch die Einführung von Bereichs- und Teamleitungen abgelöst werden. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass die betroffenen Beschäftigten im Sinne der Entgeltgruppe P 11 der Entgeltordnung zum TVöD (VKA) große Teams leiten und keine Stationsleitung ausüben. Ihre Aufgabenstellung beinhalte ein reduziertes Maß an Mitverantwortung und die Leitung erfolge stationsübergreifend durch die Bereichsleitungen. Dies gelte insbesondere für die Planung des Personaleinsatzes. Mit Einführung des neuen Konzepts sei ein Neuzuschnitt von Leitungsaufgaben und Verantwortungsbereichen erfolgt. Die Stationsleitung im früheren Zuschnitt gebe es nicht mehr. Dies gilt auch dann, wenn die Teamleitungen auf einer Station eingesetzt werden, so die Arbeitgeberin. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu den beantragten Umgruppierungen mit dem Hinweis, richtige Entgeltgruppe sei P 12, da die betroffenen Beschäftigten jeweils eine eigene Station leiten würden.

Die Entscheidung
Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu Recht verweigert. Die von der Arbeitgeberin als „Teamleiter“ bezeichneten Beschäftigten übten keine solche Funktion im Sinne der Entgeltgruppen P 10 und P 11 der Entgeltordnung zum TVöD (VKA) aus. Vielmehr leiteten sie eine Station im Sinne der Entgeltgruppen P 12 bis P 13 der Entgeltordnung TVöD (VKA). Da der TVöD nicht selbst definiert, was unter einer „Stationsleitung“ zu verstehen ist, sei die Bedeutung des Begriffs durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. In dem Beschluss stellt das BAG unter anderem klar, dass mit dem Begriff der Stationsleitung ein bestimmtes Berufsbild verbunden ist. Stationsleitende in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege koordinierten die pflegerischen Aufgaben, die Pflegeübergaben und die Pflegedokumentation in ihrem Bereich. Sie hätten die Personalführung einschließlich der Dienstplangestaltung inne, wirkten an der Personalentwicklung und der praktischen Ausbildung von Nachwuchskräften mit und seien für die Qualitätssicherung zuständig. Hierfür kontrollierten sie die Einhaltung der Pflegestandards und der rechtlichen Vorgaben und führten Schulungen für Mitarbeitende durch. Außerdem wirkten sie in der Betriebsführung mit. Die Übertragung der organisatorischen Gesamtzuständigkeit mit einer Allein- und Letztverantwortlichkeit für alle anfallenden Aufgaben lässt sich somit bereits aus dem Wortlaut der Norm und dem damit verknüpften Berufsbild nicht ableiten. Weiterhin macht das BAG deutlich, dass die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des Aufbaus der Tätigkeitsmerkmale für Leitungskräfte in der Pflege von einer mehrstufigen und hierarchischen Organisationsstruktur ausgegangen sind. Diese bestehe in den Entgeltgruppen P 9 bis P 14 der Entgeltordnung zum TVöD (VKA) aus den drei Ebenen Gruppe / Team, Station und Bereich / Abteilung. Innerhalb der Ebene werde weiter nach deren Größe oder nach dem Maß der Verantwortlichkeit beziehungsweise dem Umfang und der Bedeutung des Aufgabengebiets sowie des Maßes an Selbständigkeit unterschieden. In allen drei Ebenen werden Leitungsaufgaben ausgeübt. Die Anforderungen an die Leitungskompetenz seien auf den verschiedenen Ebenen jedoch nicht identisch. Schon allein der Aufbau der Tätigkeitsmerkmale schließe aus, dass eine Stationsleitung die – alleinige – organisatorische Gesamtzuständigkeit für den Bereich der Station oder die Letztverantwortlichkeit für übertragene Leitungsaufgaben besitzen muss. Anderenfalls verbliebe der Bereichsleitung ebenso wenig Raum zur Leitung der ihr unterstellten Stationen wie der Pflegedienstleitung im Hinblick auf deren Gesamtverantwortung.

Das Fazit
Die Tarifvertragsparteien haben hinsichtlich der Eingruppierung von leitenden Beschäftigten in der Pflege erkennbar ein abgestuftes System geschaffen. Dadurch werden verschiedene Leitungsebenen mit verschiedenen Anforderungen an Maß und Umfang der Leitungskompetenz unterschiedlich tariflich bewertet.

Nach oben