25.05.2019 / dbb beamtenbund und tarifunion

tacheles 5/2019: Schadensersatz wegen Verfalls des Zusatzurlaubs für Schwerbehinderte

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den schwerbehinderten Arbeitnehmer auf dessen Zusatzurlaub gemäß § 125 Sozialgesetzbuch (SGB) IX a. F. hinzuweisen. Kommt der Arbeitgeber seinen Informations- und Hinweispflichten nicht nach, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch in Form des Ersatzurlaubs, der sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 251 Abs. 1 BGB in einen Abgeltungsanspruch umwandelt (LAG Niedersachsen, Urteil vom 16. Januar 2019, Aktenzeichen 2 Sa 567/18).

Der Fall
Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses sowie über Zahlungsansprüche. Die langjährig beschäftigte schwerbehinderte Arbeitnehmerin verklagt ihren Ex-Arbeitgeber, nachdem dieser seinen Betrieb geschlossen und die Arbeitnehmerin betriebsbedingt gekündigt hatte. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund der ordentlichen Kündigung zum 31. Januar 2018. Während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses hatte die Klägerin ihren Schwerbehindertenzusatzurlaub nicht verlangt. Auch der Arbeitgeber hatte sie weder auf diesen Zusatzurlaub hingewiesen noch sie dazu aufgefordert, ihn zu nehmen. Unstreitig hatte der Arbeitgeber allerdings spätestens seit September 2015 Kenntnis von der Schwerbehinderung. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage auf Urlaubsabgeltung für den nicht genommenen Schwerbehindertenzusatzurlaub ab. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts hätte die Arbeitnehmerin ihren Zusatz-urlaub rechtzeitig beantragen und in Anspruch nehmen müssen. Der Anspruch auf Zusatzurlaub ist jeweils zum Jahresende gemäß § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) untergegangen.

Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat der Klägerin recht gegeben. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin gegenüber der Beklagten gem. § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 15 Tage Zusatzurlaub aus den Jahren 2015, 2016 und 2017. Zur Begründung beruft sich das Gericht auf die EuGH-Rechtsprechung, der zufolge Arbeitgeber zum Urlaubsantritt auffordern müssen. Diese Rechtsprechung gilt grundsätzlich nur für den europarechtlich vorgeschriebenen vierwöchigen Mindesturlaub. Das BAG hat allerdings bereits vor einigen Jahren entschieden, dass sich der Verfall des Zusatzurlaubs schwerbehinderter Menschen nach den allgemeinen Regeln richtet, die für den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen gelten. Wird daher der vierwöchige Mindesturlaub vor dem Verfall am Jahresende infolge einer längeren Erkrankung des Arbeitnehmers geschützt, wird also der vierwöchige Mindesturlaub für eine gewisse Weile aufrechterhalten, gilt das nach Auffassung des Gerichts auch für den fünftägigen Zusatzurlaub schwerbehinderter Menschen. Unter Berufung auf dieses BAG-Urteil kam das LAG Niedersachsen zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber hier im Streitfall ab Kenntnis der Schwerbehinderung (September 2015) die Arbeitnehmerin von sich aus darauf hätte aufmerksam machen müssen, dass ihr Sonderurlaub zum Jahresende verfällt. Daher war der Zusatzurlaub für die Jahre 2015, 2016 und 2017 nicht verfallen, so dass die Klägerin Urlaubsabgeltung für 15 Urlaubstage verlangen kann.

Das Fazit
Das Urteil ist zu begrüßen und setzt konsequent die aktuelle EuGH- und BAG-Rechtsprechung um. Es ist daher davon auszugehen, dass die beim BAG eingelegte Revision die Entscheidung des LAG Niedersachsen bestätigen wird. Die Arbeitgeber sollen die Arbeitnehmer nicht nur rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres dazu auffordern, den vierwöchigen Mindesturlaub zu nehmen, sondern ebenfalls auch schwerbehinderte Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme ihres Zusatzurlaubs anhalten.

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