30.08.2011

Fachbereich Gesundheit

Pflege funkt SOS – doch keiner hört´s!

In Deutschland arbeiten weit mehr als 750 000 Beschäftigte der Gesundheits- und Krankenpflege im gesamten Bereich der Gesundheitswirtschaft. Nur durch ihren aktiven Einsatz, der häufig über normale Maß hinaus reicht, wird der hohe Qualitätsstandard in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nach wie vor gehalten. Doch wie lange noch, denn die täglichen Aufgaben sind kaum mehr zu schaffen: Eine immer größere Anzahl von Kranken und Pflegebedürftigen müssen mit immer weniger Personal betreut werden. Was bleibt, ist ein hoher Krankenstand bei den Beschäftigten selbst, den leider auch die Patienten zu spüren bekommen.

Mit Unterstützung der komba hat die dbb tarifunion in diesem Sommer mit der Aktion „Gesundheitsschutz und demografischer Wandel im Krankenhaus. Pflege funkt SOS!“ zur Diskussion über die Missstände aufgerufen.
Michael Kehren, Vorsitzender des Bundesfachbereich Gesundheit der komba gewerkschaft und Personalrat der Rhein-Kreis Neuss Kliniken, nimmt die Aktion zum Anlass, um die derzeitige Lage näher zu beleuchten.

Bekannte Missstände im Gesundheitssystem

„In den letzten 15 Jahren wurden weit über 50 000 Vollzeitstellen in der Krankenpflege gestrichen. Die personelle Ausstattung der Einrichtungen in Deutschland ist deswegen mehr als nur mangelhaft. Die Beschäftigten sind gnadenlos überlastet. Eine professionelle und menschenwürdige Pflege kann damit nicht mehr garantiert werden – zum Leid der Pflegebedürftigen und Pflegekräfte“, kommentiert Michael Kehren und verweist damit auf die bestehenden Spannungen zwischen Qualitätsanspruch und Umsetzbarkeit in allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft.

Kehren beschreibt die bekannten Missstände in Deutschlands Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen: „Weitere Fakten, mit denen unsere Kolleginnen und Kollegen sich in ihrer täglich Arbeit und ihrem Bemühen um die Gesundheit sowie Pflege der Patienten auseinandersetzen müssen sind zudem häufig miserable Arbeitsbedingungen und eine unangemessene Bezahlung. Zu den Folgen gehört auch, dass nur wenige, junge Menschen den Pflegeberuf erlernen wollen. Dazu kommt der demografische Wandel, der seinerseits den Bedarf an hochqualifiziertem Pflegepersonal immens steigen lässt. In Kürze können wir diese Lücken nicht mehr schließen – wenn es so weiter geht.“ Gleichzeitig würde den deutschen Pflegeberufen die Professionalität abgesprochen, außerdem seien die Ausbildungsregelungen nicht auf der Höhe der Zeit.



Deutsche Krankenhäuser bleiben unterfinanziert

Bereits im September 2008 sind Arbeitgeber, Berufsverbände und Gewerkschaften mit weit über 100 000 Menschen vor das Brandenburger Tor gezogen, um der Politik deutlich zu machen, dass sie mit der Gesundheit Pflegebedürftiger und den Beschäftigten im deutschen Gesundheitssystem verantwortungslos umgehen. Bei vielen anderen Demonstrationen, Tagungen, Anhörungen und Podiumsdiskussionen wurde das niederschmetternde Urteil über die deutsche Gesundheitspolitik wiederholt und bekräftigt. Und was machen die politischen Experten? Der Vorsitzende dazu: “Die zusätzlichen Mittel nach Krankenhausentgeltgesetz – ohnehin nur ein Tropfen auf den heißen Stein – mit denen seit 2008 zusätzliche Pflegestellen zu 90 Prozent finanziert werden, werden ab dem nächsten Jahr vom so genannten DRG-System (Diagnosebezogene Fallgruppen) wieder geschluckt. Viele Krankenhäuser werden dann die geschaffenen Stellen wieder abbauen, denn nach wie vor reicht die Veränderungsrate der Krankenhausbudgets nicht aus, um Kostensteigerungen durch die Tarifergebnisse sowie Sach- und Energiekosten abzudecken.“



Imagekampagnen anstatt Verbesserung der Arbeitsbedingungen?

Gleichzeitig wird in der Politik darüber diskutiert, wie Überschüsse der Krankenversicherungen - bis Ende 2011 werden sieben Milliarden Euro erwartet – verwendet werden. Dabei werden Beitragssenkungen ins Spiel gebracht, gegebenenfalls im Wahljahr 2013. Doch aus Sicht der komba sollte verstärkt darüber diskutiert werden, das Geld der Versicherten bestimmungsgerecht für deren Gesundheitsversorgung zu verwenden. „Stattdessen folgen unter anderem Imagekampagnen zur Nachwuchsgewinnung, ohne auch nur ansatzweise die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zu verbessern“, kritisiert Kehren. Dabei gäbe es weder ein adäquates Verhältnis von Patienten zu Beschäftigten, noch eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit. „So ist es allgemein üblich, dass Dienstpläne nicht verlässlich sind – häufig wird verlangt, kurzfristig und jederzeit einzuspringen. Für viele unserer Kolleginnen und Kollegen bedeutet das eine permanente Rufbereitschaft, denn ein Nein wollen Vorgesetzte häufig nicht akzeptieren.“

Der Bundesfachbereich Gesundheit sieht hier dringend Handlungsbedarf und fordert daher von den politischen Experten, endlich für die Beschäftigten in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um Patienten eine menschenwürdige Pflege zukommen zu lassen.

 

Flugblatt komba gewerkschaft nrw: FB Gesundheit-Info 4/2011 des Fachbereichs Gesundheit

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