10.03.2018

tacheles 1-2/2018: Keine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots für sachgrundlose Befristungen

Entgegen der Rechtsprechung des BAG gilt das Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zeitlich unbegrenzt und nicht nur für die letzten drei Jahre. Das Vertrauen des Arbeitgebers in den Fortbestand der BAG-Rechtsprechung aus 2011 ist nicht schutzwürdig (LAG Niedersachsen, Urteil vom 20. Juli 2017, Aktenzeichen 6 Sa 1125/16).

Der Fall
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung. Die Beklagte betreibt mehrere hundert Supermärkte in Deutschland. Die Klägerin war bei der Beklagten zunächst in deren Betrieb in A befristet tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde bis zum 31. Dezember 2008 verlängert. Schließlich kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2008. Mit Vertrag vom 30. April 2014 schlossen die Parteien für die Zeit vom 2. Mai 2014 bis zum 31. Januar 2015 erneut einen befristeten Arbeitsvertrag, diesmal für den Betrieb in B. Der Arbeitsvertrag wurde in der Folgezeit dreimal verlängert. Da die Klägerin der Auffassung war, dass eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitraum vom 2. Mai 2014 bis 30. Juni 2016 wegen ihrer Vorbeschäftigungszeit im Betrieb A unzulässig sei, erhob sie Klage und machte den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. April 2016 hinaus geltend. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hatte vor dem LAG Erfolg. 

Die Entscheidung
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30. April 2016 geendet. Die zuletzt vereinbarte sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses ist rechtsunwirksam. Das Arbeitsverhältnis besteht über das Befristungsende hinaus weiterhin fort. Der sachgrundlosen Befristung steht das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Im vorliegenden Fall bestand zwischen den Parteien bei Abschluss des befristeten Vertrags zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis in 2008. Der Umstand, dass die Klägerin damals im Betrieb A eingesetzt wurde und nun im Betrieb B, vermag daran nichts zu ändern, auch wenn es sich dabei um eigenständige Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes handelt. Arbeitgeber gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist der Vertragsarbeitgeber und das ist vorliegend in beiden Fällen die Beklagte. Das Anschlussverbot knüpft nicht an den Beschäftigungsbetrieb an, sondern soll den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses mit einem Vertragsarbeitgeber schützen. 
Auch der Umstand, dass zwischen der Beendigung des zuvor bestehenden Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2008 und dem Neuabschluss des Arbeitsvertrags zum 2. Mai 2014 mehr als drei Jahre gelegen haben, steht dem nicht entgegen. Die Kammer folgt ausdrücklich nicht dem Auslegungsergebnis der BAG-Entscheidung vom 6. April 2011, Aktenzeichen 7 AZR 716/09, wonach das Anschlussverbot zeitlich auf drei Jahre begrenzt ist. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist nach Auffassung des LAG Niedersachsen vielmehr dahingehend auszulegen, dass ein zeitlich unbegrenztes Anschlussverbot besteht. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte sowie der Systematik des Gesetzes. Auf schutzwürdiges Vertrauen in die Fortführung der fachgerichtlichen Rechtsprechung kann die Beklagte sich nach Auffassung des LAG Niedersachsen nicht berufen, da die Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011 auf erhebliche Kritik in Rechtsprechung und Literatur gestoßen ist, so dass der unveränderte Fortbestand der Rechtsauffassung nicht als gesichert anzusehen war.

Das Fazit

Befristete Arbeitsverhältnisse sind insbesondere im Öffentlichen Dienst eher die Regel als die Ausnahme. Insofern ist die Rechtsprechung zu diesem Thema mit besonderem Interesse zu verfolgen. Die vorliegende Entscheidung des LAG Niedersachsen weicht zwar von der Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011 ab, ist allerdings kein Alleingang. Zuletzt verweigerten mehrere Kammern unterschiedlicher Landesarbeitsgerichte dem BAG in dieser Frage die Gefolgschaft. Aufgrund der deutlichen Kritik im Schrifttum an der Rechtsprechungsänderung des BAG im Jahr 2011, dem Widerstand aus den Landesarbeitsgerichten und einem zwischenzeitlichen Richterwechsel im zuständigen Senat des BAG ist es durchaus denkbar, dass das BAG seine Rechtsprechung in dieser Frage (erneut) ändert.

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